"Dynamics of Conventionality (400–1550)"
The Cologne research training group engages in a reorientation of interdisciplinary research regarding the Middle Ages both in terms of content and methodology. Using ‘conventionality’ as our key concept, we aim at reconstructing the dynamics of European societies and cultures for the time period between 400 and 1550. The hitherto neglected concept of conventionality will enable us to reframe the dynamics of change in medieval history, art, architecture, music, philosophy, and literature. Methodologically, we distance ourselves from the narrative of modernization that – operating with key words such as ‘revolution’ and ‘innovation’ – entails describing the Middle Ages as a deficient preliminary stage of modernity. Such narratives preserve rather static conceptions of an era and tend to justify them in alluding to the specific traditionalism and conventionality of the Middle Ages and its societal and cultural manifestations. In contrast, the Cologne research training group aims at reconstructing their complexity and variety by adopting the concept of conventionality that has been theoretically and philosophically developed within the field of cultural studies. Conventionality signifies all rule-based forms of common actions and practical knowledge that are based on social agreement and guarantee cultural and societal stability and are yet intrinsically apt to various forms of modification and adaptation. Thus, conventions are crucial to facilitate processes of transformation whose effects transcend the great narratives of modernization.
For the time period between 400 and 1550, the significance of conventionality is manifest in the pivotal and ubiquitous concept of consuetudo (custom, habit). Based on this concept, reasoning on social change and persistence was carried out, and a corpus of accepted social and artistic rules was developed. Even though these rules claimed to be normative, they were subject to a constant process of negotiation, modification, reformulation and fictionalization—or they could even be dismissed as bad habits. The Cologne research training group plans to investigate the dynamics of conventionality in different spheres of medieval society. It traces a type of practical knowledge that is not based on rational and controlled methods of the production of knowledge, but on rule-based forms of social agreement. Taking three sets of terms contrary to conventionality – norm, science, and originality – as a foil for comparison, we intend to explore a cluster of thematically differentiated configurations of conventionality in an interdisciplinary context.
Unsere interdisziplinären Felder auf einen Blick:
Byzantinistik
Die Byzantinistik bietet ein reiches Spektrum an möglichen Forschungsthemen. Im Rahmen des Graduiertenkollegs untersucht sie Formen sozialen Handelns sowie damit verbundene Vorstellungen, Praktiken und materielle Güter in Hinsicht auf ihre identitätskonstituierende liturgische, rechtliche und soziale Funktion. Weitere Themen betreffen Konventionen des Sammelns und Aufschreibens, die formative und normative Kraft von Texten und Memorialpraktiken. In ganz besonderem Maße ist die Byzantinistik geeignet, innerhalb des neuen Themenbereiches "Konventionalität und transkulturelle Verflechtungen" den Austausch von Konventionen zwischen verschiedenen religiösen, politischen und sprachlichen Gemeinschaften zu erforschen.
Germanistik
Der sensus communis (Common Sense) bildet seit je das Fundament der Verfahren der Rhetorik und Topik, für die Exempla (historia, argumentum, fabula) und Sprichworte sich über Jahrhunderte als konstante, aber flexibel handhabbare Formen der Argumentation erweisen. Einen zentralen Bereich bildet die Poetisierung höfischer Konventionalität in literarischen Werken, die die lange Geschichte der Höflichkeit sowohl an geistliche Muster rückbindet als auch eigene Formen entwickelt.
Geschichtswissenschaft
Für die Rechtsgeschichte des Mittelalters ist die Spannung von lex und consuetudo konstitutiv. Sie untersucht die Relation von Gewohnheitsrecht und Kodifizierung in Bereichen wie Ehe, Unfreiheit und Verwandtschaft. Hinzu tritt das Feld der Kodifizierung von Lebensformen und sozialer Gemeinschaftsbildung, etwa in Klöstern oder in Bezug auf die Soziologie der Zünfte, in der die Spannung konventionalisierter Arbeitstechniken des Handwerks mit den zunehmenden regulativen Ansprüchen der Zünfte zutage tritt.
Kunstgeschichte
Die kunsthistorische Manuskriptforschung untersucht Formen visueller Textgliederung und -Einbettung mit Blick auf Gattungskonventionen und deren Semantik, zudem Zeugnisse des Manuskriptgebrauchs. Objektgeschichten lenken den Blick auf Herkunft, Verwendung, Kombination von künstlerischen Materialien, auf Techniken und Formen, auf Traditionen und Wandlungen in der Gestaltung wie Nutzung von Kunstwerken, insbesondere im Kontext von Liturgie und Zeremoniell.
Mittellateinische Philologie
An den Regularien der Epistolographie kommt die Spannung von Briefsammlungen, Regelschrifttum (artes dictaminis) und stilistischer Originalität zum Austrag. Die Sammlungen, die an die antike Epistolographie anknüpfen, lassen sich so in Bezug auf Konzeption und Stilistik im Spannungsfeld von inventarisierter Konvention (Musterbeispiele) und kodifizierter Vorschrift untersuchen.
Musikwissenschaft
Musik und Musiktheorie des Mittelalters und der Frühen Neuzeit operieren zwischen Regeln und Leerstellen. Auch in der Musik situieren sich Konventionen in unterschiedlichen Registern: zwischen religiöser Ausrichtung, oraler Praxis und musiktheoretischer Kodifizierung.
Philosophie
Die Kommentarpraxis der Philosophie bereitet von der Spätantike bis ins 16. Jahrhundert hinein die Traditionen des gelehrten Wissens (Philosophie, Recht, Medizin, Theologie) nicht nur auf, sondern reflektiert dieses auch und begleitet es kritisch. Das Ineinander von Kontinuität und Wandel ist an ihr signifikant. Aber auch im Feld der Moralphilosophie wären Untersuchungen zum Verhältnis von Ethos und Ethik, von konventioneller und normativer Moral, möglich.