Annette Kaldorf: Epische Konventionen in der Philippis Wilhelm des Bretonen.
Ein zentrales Werk in der mittellateinischen Literatur stellt die Alexandreis des Walter von Châtillon dar, die um 1180 verfasst und rasch zum Vorbild für weitere Dichtungen wurde. Zu diesen Nachfolgern zählen unter anderem die Philippis, ein Epos, das Wilhelms des Bretonen in mehreren Überarbeitungen 1224 veröffentlichte. In zwölf Büchern präsentiert Wilhelm in epischen Ausmaßen die Taten des französischen Königs Philipp II. (1179-1223).
Abgesehen von Homers griechischen Epen ist Vergils Aeneis das bekannteste und wichtigste antike Epos. Obwohl sich Gattungsmerkmale für das Epos bereits in der griechischen Literatur etablierten, beeinflusst kein Werk mehr die danach entstandenen Epen mehr als die Aeneis. Moderne Gattungstheorien hatten in der Antike und im Mittelalter Vorläufer in Form literarischer Werke wie Quintilians Institutio Oratio oder Isidor von Sevillas Etymologien, die jedoch nur rudimentär definieren, was verschiedenen Gattungen ausmacht. Für das heroicum carmen nennt Isidor beispielsweise virorum fortium res et facta (1, 39, 9) sowie den Hexameter als Parameter. Konkret manifestiert der Inhalt sich in Elementen wie Katalogen (beispielsweise von Schiffen oder Kriegern), Seestürmen, Leichenspielen und Gängen in die Unterwelt.
Zahlreiche dieser Elemente finden sich auch in der Philippis. Geschrieben für die Söhne Philipps, präsentiert Wilhelm im Werk im Wechsel von Erzählungen, Schilderungen und Reden die Herrschaft Philipps. Informationen über das Privatleben oder die Kindheit des Königs sind nur spärlich vorhanden, während der Fokus des Werkes eindeutig auf dem Krieg und militärischen Erfolgen liegt. Wilhelm ist daran gelegen, Philipps Erfolge für seine Söhne, aber auch eben die Nachwelt zu bewahren. Trotz der inhaltlichen Mischung aus Herrscherpanegyrik und Historiographie stellt Wilhelm sich stilistisch in die Tradition der Aeneis und der Alexandreis, was sowohl durch die Form als auch die Sprache ersichtlich wird. Dreimal erwähnt Wilhelm im Vorwort an Ludwig VIII. Alexander den Großen, die Muse Vergils findet sich im siebten Vers des Proömiums.
Die Arbeit stellt die erste tiefergehende wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Philippis dar. Nach Editionen und französischen Übersetzungen aus dem 19. Jahrhundert fehlt noch immer eine inhaltlich-sprachliche Analyse des Epos. Der Fokus wird dabei auf den Widmungsgedichten sowie dem ersten Buch liegen, die in einem philologischen Kommentar aufgearbeitet werden.