Simone Hallstein: Judenfeindlichkeit und Medienwandel im Spätmittelalter (Arbeitstitel)
Im Rahmen des Projekts soll der Zusammenhang zwischen Judenfeindlichkeit und dem spätmittelalterlichen Medienwandel, der mit der Einführung des Buchdrucks mit beweglichen Lettern Mitte des 15. Jahrhunderts verknüpft ist, untersucht werden. Um eine umfangreiche Bewertung der Rolle der neuen Drucktechnik als Informations- und Kommunikationsmedium für den judenfeindlichen Diskurs vornehmen zu können, soll untersucht werden, welche judenfeindlichen Schriften durch den Buchdruck in den ersten Jahrzehnten nach dessen Erfindung (ca. 1450-1520) verbreitet wurden und welche Argumentationsstrategien und Begründungsmuster in den jeweiligen Drucken zur Geltung gebracht werden. Das Themenspektrum reicht von tradierten Inhalten des literarisch-polemischen Repertoires aus der Zeit der Kirchenväter bis zu Berichten zu jüngsten Ereignissen, wie Ritualmordvorwürfen und Judenvertreibungen. Es soll ermittelt werden, welchen Anteil primär theologisch und apologetische argumentierende Schriften im Vergleich mit Texten zu vermeintlichen Religionsverbrechen oder zur Wirtschaftspraxis der Juden an der Produktion judenfeindlicher Drucke haben. Quantitativ ausgewertet werden sollen nicht nur die Anzahl der Verfasser und Titel, sondern auch die Erscheinungsdaten und -orte, die Auflagenhöhe, die Druckhäufigkeit, die Textgattungen (Traktat, Disputation, Predigt, Bericht usw.), die Formate, der Umfang, die Sprachen und oder und die Ausstattung (etwa mit Holzschnitten) der Druckauflagen. Exemplarische Einzelstudien sollen dann die quantitativen Ergebnisse perspektivieren.
Das Spannungsfeld zwischen altem Diskurs und technischem Neubeginn bietet zahlreiche Beispiele für die Erforschung der Dynamiken von Konventionalität, die ihrerseits Einblicke in Entstehungszusammenhänge, Verfasser- und Lesekreise sowie Rezeptionshorizonte und Gebrauchsräume der judenfeindlichen Druckerzeugnisse ermöglichen.