Simone Hallstein: Judenfeindlichkeit und Medienwandel im Spätmittelalter
Die Produktion und Verbreitung von Adversus-Judaeos-Texten im Spätmittelalter wurden durch die gutenbergische Erfindung des Buchdrucks mit beweglichen Lettern in der Mitte des 15. Jahrhunderts sowie durch die zunehmende Anzahl entsprechender Werkstätte in der Folgezeit signifikant beeinflusst. In den ersten Jahrzehnten nach der Einführung der neuen Drucktechnik gelangte eine Vielzahl judenfeindlicher Texte in den Druck. Ihr Themenspektrum reicht von tradierten Inhalten des literarisch-polemischen Repertoires aus der Zeit der Kirchenväter über Kritik am 'jüdischen Wucher' bis zu Berichten über Ereignisse wie Ritualmord- und Hostienfrevelprozesse. Diese Druckerzeugnisse haben dabei gleichwohl sehr unterschiedliche Formate, denn die judenfeindlichen Inhalte wurden nicht nur in umfangreichen Büchern, sondern auch durch Flugdruckschriften und Einblattdrucke zugänglich gemacht. Ziel des Dissertationsprojekts ist es, eine Bewertung der Rolle des Buchdrucks für die Produktion und Verbreitung der Adversus-Judaeos-Texte im Spätmittelalter vorzunehmen. In einem ersten Schritt werden die entsprechenden Drucke gesammelt und ihre Produktion quantitativ ausgewertet. Dabei ist besonders von Interesse, wann sie verstärkt produziert wurden, an welchen Orten sie entstanden, in welcher Sprache sie erschienen, welches Format und welchen Umfang sie hatten und wie sie ausgestattet waren usw. Aus historischer Perspektive sollen Faktoren ermittelt werden, die für die Produktion und Verbreitung der Adversus-Judaeos-Drucke mitverantwortlich gemacht werden können. Um die komplexen Zusammenhänge und dynamische Prozesse in der Zeit des spätmittelalterlichen Medienwandels rekonstruieren zu können, wird im Rahemn einer EInzelstudie insbesondere der deutschsprachige 'Stern des Meschiah' (1477) des Judenpredigers und Dominikaners Petrus Nigri (Peter Schwarz) in den Blick genommen.