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Konfigurationen von Paar-Sein und konjugaler Partnerschaft in der Normandie des 10. bis 12. Jahrhunderts (Arbeitstitel)

Mit den Konfigurationen des Paar-Seins soll ein im Bereich der sozial- und kulturhistorischen Verwandtschaftsforschung noch immer unterrepräsentierter Aspekt der Ordnung von hochmittelalterlichen Paarbeziehungen untersucht werden: die Außerehelichkeit. Für die herzogliche Normandie hat Martin Aurell die These des „Modell[s] einer institutionalisierten Bigamie“ aufgestellt. Dieses beschreibt einen zweigliedrigen Kontext aus polygynen Paarbeziehungen der normannischen Herzöge sowie den Erb- und Nachfolgeregelungen zugunsten ihrer illegitimen und unehelichen Kinder. Als emblematischstes Beispiel kann hierfür wohl Wilhelm der Eroberer (frz. „le Bâtard“) gelten, welcher als unehelicher Sohn Herzog Roberts des Prächtigen 1066 auf den englischen Thron gelangte.

Seit Beginn der Ansiedlung der Nortmanni am unteren Lauf der Seine im Jahr 911 lässt sich vorrangig in historiographischen Quellen eine stetige ethnische Qualifizierung sozialer Praktiken von außerehelichen Paarbindungen verzeichnen, sowohl in Selbst- als auch Fremdbezeichnungen. Hingegen ist erst mit den normannischen coutumes ab Beginn des 13. Jahrhunderts eine Verschriftlichung des Gewohnheitsrechts nachzuweisen, welche die Ehe- und Heiratsnormen auf ein stärker institutionalisiertes Rechtsfundament stellte. Dem vorausgegangen war nicht zuletzt ein virulenter Diskurs des späten 11. und 12. Jahrhunderts, welcher die Ehe in Kirche und Welt in ihrer kirchenrechtlichen, moraltheologischen und heilsgeschichtlichen Rolle neu fokussierte und in den Eherechtsbestimmungen des IV. Laterankonzils 1215 kulminierte.

Für das 10.-12. Jahrhundert gestaltet sich ein normativer Ansatz problematisch, da das semantische Feld der (Un-)Ehelichkeit in der Quellensprache sowohl in Bezug auf die Frauen (uxor-concubina) als auch auf die Nachkommenschaft nur sehr unscharf umrissen bleibt. Hier möchte das Dissertationsprojekt mit einem akteurszentrierten und praxeologischen Zugriff ansetzen, um die Erprobungen partnerschaftlicher Umgangsformen in ihrer Heterogenität greifen zu können. Das epistemische Instrument der Konventionalität kann dabei helfen, im Rahmen einzelner Fallstudien spezifische kontingente Lösungen für wiederkehrende und koordinierungsbedürftige Probleme der (außer-)ehelichen Paarexistenz zu ergründen.

Untrennbar damit verbunden bleibt die Rechtsformation der Illegitimität, da die (un-)eheliche Verbindung häufig erst durch die gemeinsame Nachkommenschaft in den Quellen aufscheint. Daraus ableitend ergibt sich die Leitfrage, von welchen Faktoren der rechtliche und soziale Status außerehelich gezeugter Akteure und die Konstruktion ihrer verwandtschaftlichen Zugehörigkeit abhängt. Ebenso zielt die Untersuchung darauf ab, die lokalen soziopolitischen Vorbedingungen zu rekonstruieren, welche die rechtliche Ausweitung und kanonistische Neukontextualisierung von Ehe- und Sexualmoral ermöglichten. Für die normannischen Verwandtschaftsstrukturen lässt sich dabei ein nach außen hin recht geschlossen auftretender Personenverband beobachten, sowohl auf klerikaler als auch laikaler Ebene. Hieraus ergibt sich ein komplexes Spannungsfeld, in welches die außerehelich gezeugten normannischen AkteurInnen zwischen sozialen Praktiken von Vererbung, Verheiratung und Bischofsweihe sowie normativen Bestimmungen von Inzest und Zölibat eingebunden waren - ein Umstand, welcher sich auch in teils polemisch geführten zeitgenössischen Diskursen widerspiegelt.
 

Das Dissertationsprojekt möchte somit einen Beitrag leisten, das Verhältnis zwischen institutionalisierten und konventionellen Praktiken von Außerehelichkeit im dynamischen Kräftefeld von Status, Rang, Gender und Macht in der Vormoderne zu ergründen.

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