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Philipp Lenhart: Neidhart-Überlieferung im Bild: Formen repräsentativer Selbstdarstellung in der Stadt im Horizont einer populären literarischen Tradition.

Neidhartfresko aus dem Palas der Burg Trautson, Erdgeschoss, Ostwand, zw. 1450–1475 (heute in Burg Sprechenstein). Foto: Blaschitz 2000, CD-ROM.)

Der Name „Neidhart“ steht im Mittelalter für eine wirkmächtige literarische Tradition, die den Überlieferungszeugnissen nach bis ins 16. Jahrhundert hinein Bestand hatte. Ausgehend von den Texten des in den Handschriften als Neidhart bezeichneten hochmittelalterlichen Autors im 13. Jahrhundert wurde die Grundkonstellation der auf das reflektierende Minnelied höfischer Prägung rekurrierenden parodistischen Lieder Neidharts stets von Neuem aufgegriffen, modifiziert und variiert. Kern dieses populären Sujets bildet der Antagonismus zwischen einer adlig-ritterlichen Sängerfigur und deren Gegenspielern einer dörper-Welt, deren Charakteristikum in der äußerlichen Aneignung höfischer Formen besteht, jedoch durch ihr derb-grobes Verhalten an einer entsprechenden höfischen Habitualisierung scheitern. Dieser Antagonismus bildet den Anlass immer neuer Konfliktsituationen zwischen Hof und Land, die dann vor allem in den ab dem 14. Jahrhundert zunehmend überlieferten Schwankliedern narrativ ausgebaut werden und für die Neidhart-Tradition als derart kennzeichnend erachtet werden, dass der Autorname im Spätmittelalter zu einer Gattungsbezeichnung in den Handschriften mutiert. Insbesondere der sogenannte „Veilchenschwank“ avancierte in diesem Traditionsprozess, der schließlich zu einer Kompilation der Lieder zu einem Schwankbuch („Neithart Fuchs“) am Ende des 15. Jahrhunderts führte, zum Ausgangspunkt für eine Dramatisierung des Stoffes in den Neidhartspielen.

Die Beliebtheit dieses mit dem Begriff „Neidhartiana“ umschriebenen literarischen Komplexes wird aber nicht nur anhand des Mediums Schrift, sondern auch dem des Bildes deutlich. So ist denn auch abermals der „Veilchenschwank“, der erstmals um 1330 in den ehemaligen Wandmalereien des Hauses Zur Zinne im schweizerischen Diessenhofen visualisiert wird – vor der schriftlichen Überlieferung fassbar. Die Spannbreite der bildkünstlerischen Neidhart-Rezeption reicht von Wandmalereien, Reliefs, Handschriftenillustrationen bis hin zur Druckgrafik. Ausgangspunkt meines Dissertationsprojektes ist die Beobachtung, dass die bildlichen Quellen der Neidhart-Ikonografie bis heute unter einer überlieferungsgeschichtlich-philologischen Perspektive betrachtet werden – jene Perspektive, die für lange Zeit die wissenschaftliche Analyse des mit Neidhart verbundenen literarischen Archivs bestimmte. Hier liegt nun der Ansatzpunkt meiner Dissertation, die erstmals systematisch die Gestaltungsmuster der Neidhart-Ikonographie in ihren verschiedenen medialen Realisierungen als bildliche Konvention und damit den Prozess ihrer Traditions- bzw. Persistenzbildung wie auch die Dynamisierung durch Modifikationen und Inversionen untersuchen soll. Im Fokus der Untersuchung dieser Visualisierungsstrategien der Neidhart-Tradition stehen die jeweiligen Übernahmeinstanzen mit ihren Perspektiven und entsprechenden Modifikationen und Umdeutungen im Prozess der produktiven Aneignung eines kulturellen Textarchivs. Insbesondere die in klerikalen Kreisen des 15. Jahrhunderts kritisierten Neidharttänze (chorea nithardi) an den Wänden der Bürgerhäuser, von denen heute nur noch einige wenige erhalten geblieben sind, sollen für die Frage nach der Art und Weise der Aneignung, verstanden als eine Form kultureller Produktivität, und nach den Subjektivierungspotentialen im Moment der Aneignung, hier begriffen als aktive Praxis im Sinne der Selbsttechniken von Foucault, im Zentrum stehen.

Ziel der Dissertation soll es sein, die bisherige Betrachtung der Neidhart-Ikonographie aus einem zu engen Wort-Bild-Bezug herauszulösen und eine stärkere Perspektivierung der jeweiligen konkreten Gebrauchskontexte bzw. ›Rahmen‹ (E. Goffman), der der Neidhart-Tradition entnommenen Motive anzustrengen. Demnach geht es um die Deutungsschemata, die eine Rezeption der Neidhart-Tradition in Form visueller Gestaltungen ihren Übernahmeinstanzen als Subjekte attraktiv erscheinen ließen.

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