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Ego te baptizo. Zwischen visueller und gendernormativer Konventionalität: Biologische & Rituelle Elternschaft

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Pseudo-Apuleius, Herbarium/ Medizinische Sammelhandschrift, (Österreichische Na-tionalbibliothek, Ms 93), fol. 102r, 1200-1249, Italien.

Rituale fungieren im Mittelalter als Ordnungsinstanz und Raum sozialer Aushandlungen. Sie bestätigen, perpetuieren oder stürzen Gesellschaftsgefüge. In vielen mittelalterlichen Ritualen nehmen sowohl Frauen als auch Männer teil. Dabei entwickeln die Geschlechter jedoch nicht dasselbe Agens, sodass die Auswirkungen von Ritualen für weibliche und männliche Beteiligten divergent sind. Besonders die visuelle Repräsentation von gendernormierten Handlungsmustern und ritualisierten -folgen geben Einblick in gesellschaftliche Konventionen. Das Projekt fokussiert sich auf zwei Momente im Leben des (mittelalterlichen) Menschen, die aber als ein Ritual verstanden werden: die biologische Geburt eines Kindes und die rituelle Wiedergeburt im Initiationsritus der Taufe. Die pararituellen Handlungen während des Partus markieren den Beginn des zweigeteilten Ritus und sind als ausschließlich weiblich konnotierter Erfahrungsraum in der Bildwelt des Mittelalters markiert. Neben der Schwangeren zeigen die Abbildungen die Hebammen sowie Ammen, die die Protagonistinnenrollen im rituellen Akt besetzen. Die Arbeit untersucht hierbei insbesondere die Fragen, wessen Geburt und in welchen Kontext die Geburtsszene dargestellt wird. Dabei gilt der Blick wiedererkennbaren Darstellungsmodi, die die Geburt in eine göttliche Auszeichnung ausweisen und die Besonderheit des Kindes oder der Eltern kommuniziert. Besonders alttestamentarische Geburtsszenen zeigen das gewindelte Kind als räumliche Loslösung in der Luft schwebend, wodurch sich unweigerlich die Frage aufdrängt, wer die Eltern des Kindes sind. Die eigentliche Niederkunft des Kindes wird hierbei ausgespart. Somit muss auch der Begriff der Geburt als Bildsujet erweitert werden: Ist es noch eine Geburt, wenn diese bereits vollzogen ist? Neben den Quellen, die einen klaren religiösen Bezug haben, vermitteln die Miniaturen medizinischer Handschriften ein realistischeres Abbild des Partus. Diese Diskrepanz referiert auf divergente Darstellungsintentionen sowie Interpretationszusammenhänge.

Die zentrale Rolle der leiblichen Mutter wird in dem Taufritus des Mittelalters durch die geistige Elternschaft des Klerus abgelöst. Die Taufe wiederum vollendet die soziale sowie religiöse Rolle des Menschen. die Übergabe des Kindes durch die leiblichen Eltern an den Klerus charakterisiert Taufszenen, die meist durch das Taufbecken als räumliche Demarkation gegliedert werden. Die Kinder werden an das Kirchenpersonal überreicht. Die biologischen Eltern treten in den Hintergrund. Dies ist eine Skizzierung der maßgeblichen Fragestellungen des Projekts, die sich analog in einen theoretischen Teil, einen vergleichenden Teil mit diversen Bildquellen und einen finalen Abschnitt mit der Bildinterpretation und Kontextualisierung gliedert. Neben dem wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn – das heißt der Fusion von Gender und Ritual Studies, der Untersuchung von Personalitäten sowie Amtsteilung – verfolgt die Arbeit den Anspruch, gesellschaftsrelevante Aspekte darzulegen. So soll das Verständnis von Geschlecht im und durch das Ritual für die Perioden nach dem Mittelalter beleuchtet werden.