Kölner Klosterbibliotheken im spätmittelalterlichen Medienwandel
Entgegen gängiger Meistererzählungen stellte die „Erfindung“ des Buchdrucks keineswegs das abrupte Ende der jahrhundertalten Handschriftentradition im lateinischen Europa dar. Jüngere medien- und buchgeschichtliche Arbeiten betonen vielmehr das Neben- bzw. Miteinander von Handschrift und Druck als kennzeichnend für das 15. und frühe 16. Jahrhundert. Der spätmittelalterliche Medienwandel ist insofern als ein komplexer und dynamischer Transformationsprozess mit jeweils regionalspezifischen Entwicklungen zu verstehen, in dem die frühen Drucke zunächst noch stark ihre handschriftlichen Vorbilder imitierten und sich erst allmählich von diesen zu emanzipieren begannen. Um etwa 1480 hatte sich der Buchdruck dann weitgehend als eigenständige mediale Überlieferungsform etabliert und es vollzog sich eine zunehmende Funktionsdifferenzierung, die sich dann auch in einer neuen quantitativen Dimension der Textproduktion niederschlug, wenngleich die Produktion von Handschriften vor allem in den Klöstern noch bis weit ins 16. Jahrhundert hinein weiterlief.
Ist dieser Transformationsprozess in seinen Umrissen der Forschung seit längerem bekannt, so sind seine konkreten Ausprägungen jedoch bisher nur unzureichend erforscht. Insbesondere das Nebeneinander von Handschriften und gedruckten Büchern in den spätmittelalterlichen Bibliotheken stellt in dieser Hinsicht ein noch wenig erschlossenes Feld dar. Dies gilt auch für die Kölner Klosterbibliotheken im 15. und frühen 16. Jahrhundert: Während durchaus Arbeiten für die mittelalterlichen Handschriften verschiedener Klosterbibliotheken vorliegen, fehlt es insbesondere noch an einer Aufarbeitung der Inkunabel- und Frühdruckbestände. In diese Lücke stößt das Promotionsvorhaben, das sich in vergleichenden Fallstudien dem Nebeneinander von Handschriften und Drucken in den Bibliotheken der Kölner Kartause, des Kreuzherrenklosters sowie des Benediktinerkloster Groß St. Martin widmet. Alle drei Klöster waren maßgeblich von der Devotio moderna bzw. den monastischen Reformbewegungen beeinflusst und verfügten im späten Mittelalter über äußerst produktive Skriptorien und ein reiches geistiges Leben.
Ziel des Projektes ist dabei jedoch ausdrücklich nicht die Rekonstruktion der ehemaligen Bibliotheksbestände und die Analyse ihres inhaltlichen Profils, stattdessen wird ein medien- und wissensgeschichtlicher Zugriff gewählt. Dabei steht zum einen die Materialität der zu untersuchenden Bibliotheksbestände im Fokus: Wie gestaltet sich das Nebeneinander von Handschrift und Druck sowohl in den einzelnen Bänden als auch in der Zusammensetzung der Bestände? Bestätigen die Befunde die grundlegenden Dynamiken des beschriebenen Transformationsprozesses oder sind abweichende Entwicklungen zu erkennen? Zum anderen fragt das Projekt nach dem Umgang mit den Beständen, also nach Wegen des Bucherwerbs, der Transformation von Ordnungsvorstellungen, den Formen der Aufbewahrung der Bücher sowie der Zugänglichkeit und Vernetzung der Bibliotheken, sowie sie sich im materiellen Befund niederschlagen: Wie gelangten die Bücher in die Bibliotheken, wie und wo wurden sie dort aufbewahrt, nach welchen Prinzipien wurden sie organisiert und wie gestaltete sich die Vermittlung zwischen Bibliotheksbeständen und Nutzern?
Da für die mittelalterlichen Handschriften der betreffenden Klosterbibliotheken jeweils auf Vorarbeiten zurückgegriffen werden kann, steht methodisch eine kodikologische Untersuchung der in der USB Köln erhaltenen Inkunabelbestände im Mittelpunkt der Arbeit. Dabei sind auf der einen Seite die materiellen Aspekte der einzelnen Bände zu analysieren und auf der anderen Seite die überlieferten Paratexte zu erfassen, aus denen Bibliothekspraktiken abgeleitet werden können. Die Erschließung erfolgt dabei in enger Kooperation mit der USB Köln. Ergänzend sind zudem weitere bibliotheksgeschichtliche Quellen heranzuziehen, die im HAStK liegen.