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Sprachspiele und Reformbestrebungen im karolingischen Reich (ca. 750 bis 850)

Schemata mit kurzen Erläuterungen basierend auf Alcuins De dialectica. (Zürich, Zentralbibliothek, Ms. C 80, fol. 111v. Digitalisat verfügbar unter https://e-codices.unifr.ch/de/zbz/ C0080/111v/0/ [Stand 09.04.2024].)

Während sich unzählige Arbeiten mit der sogenannten „karolingischen Renaissance“ befassen und dabei stets auf die Bemühungen um eine Reform des Bildungswesens sowie einer Verbesserung der Sprache hinweisen, sind die grundlegenden sprachtheoretischen Schriften dieser Zeit bisher nur unzureichend berücksichtigt worden. Die karolingischen Schriften zur Grammatik, zur Rhetorik und insbesondere zur Dialektik stehen daher im Zentrum des Dissertationsprojekts. Um davon ausgehend die karolingische Konzeption von Sprache – mitsamt etwaigen Widersprüchen, Verschiebungen oder Brüchen – zu rekonstruieren, sollen nicht nur die sprachtheoretischen Texte gelesen, sondern basierend auf einer Auswahl an Manuskripten auch die materiellen Aspekte der Sprache berücksichtigt werden. In der Annahme, dass das Konzipieren von Sprache jedoch nicht bloß ein theoretisches Unterfangen ist, sondern eng mit den praktischen Fragen einer Gesellschaft verknüpft bleibt, soll sodann nach den Implikationen der karolingischen Sprachkonzeption auf ausgewählte politische und religiöse Praktiken gefragt werden.

Die Vermutung, dass die Konzeption von Sprache gewichtige politische Implikationen hatte, erhärtet sich nicht nur aufgrund der ständigen Ermahnungen Karls des Großen an die Geistlichen, sie sollen das Lernen und Verwenden der korrekten Sprache nicht vernachlässigen, sondern liegt auch aufgrund einer nachträglich konstruierten Erzählung zur Legitimation der Königserhebung Pippins in den Reichsannalen nahe: Darin wird nämlich berichtet, dass Papst Zacharias die Absetzung des letzten merowingischen und die Erhebung des ersten karolingischen Königs mit dem sprachtheoretischen Argument begründet habe, „es sei besser, den als König zu bezeichnen, der die Macht innehabe, als den, der ohne königliche Macht verblieb“, dass also die res mit dem nomen zusammenfallen müsse, „um die rechte Ordnung nicht durcheinanderzubringen“ (MGH SS rer. Germ. [6], S. 8). Ebenso haben lebhafte Debatten über die Sakramente der Taufe und der Eucharistie sowie über das nihil als Ausgangpunkt der Schöpfung sprachtheoretische Fragen aufgeworfen und lassen dadurch Implikationen der Konzeption von Sprache auch im religiösen Bereich erahnen.

In einem weiteren Sinne handelt es sich bei dem Projekt um eine Fallstudie, von der ausgehend der Zusammenhang zwischen Welt und Sprache aus vergleichender anthropologisch-historischer Perspektive neu reflektiert werden kann. Dabei sind auch Gedanken zu historiographischen und anderen sprachbasierten Erkenntnismethoden zu erwarten.

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